Warum ich Free & Open Source Software nutze
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Warum ich Free & Open Source Software nutze
Wie ich FOSS entdeckte
Sie sollte die sicherste Firewall der Welt sein. Es war mein erster Kontakt mit Free and Open Source Software (FOSS). Mein Mitbewohner war begeistert, als er die Software zusammenstellte, die “kompiliert” werden musste. Mit einer anderen Software namens “Compiler”. All das lief auf einem veralteten PC ohne Windows. Ohne Windows? War das möglich? “Linux” nannte er es und seine Augen funkelten vor Freude. “Schau”, sagte er, “so richtet man den Kernel ein. Ist das nicht faszinierend? Du kannst das selbst machen!” Und auf diese Weise zeigte er mir völlig neue Welten. Seltsame Begriffe wurden immer vertrauter und ich lernte wie Computer funktionieren. Und ich kann sie verstehen! Ich kann sie sogar verändern! Das war FOSS.
Die Firewall erwies sich tatsächlich als sehr sicher: Niemandem wurde Zugang zur anderen Seite gewährt, da sie alles blockierte. Es hat einige Nächte gedauert, um diese selbst erstellte Software und Konfiguration zu meistern. Am Ende waren alle anderen Mitbewohner*innen wütend. “Du hast es kaputt gemacht. Jetzt reparier das Internet!” Und das taten wir dann auch.
FOSS bedeutet Souveränität und Teilen
Es ist nicht leicht das Internet zu reparieren, wenn man vor ein paar Tagen noch keine Ahnung hatte, was ein Netzwerkpaket ist oder ein Compiler ist. Aber der Punkt ist: Mit FOSS wurde mir die Möglichkeit gegeben genau das zu tun. Für mich geht es bei FOSS nicht um Software, für die man nicht bezahlen muss. Es geht um Souveränität. Zugang zu Technologie zu erhalten und sie sich zu eigen zu machen. Windows aufzugeben und zu Ubuntu und anderer Open-Source-Software zu wechseln, hat sich empowernd angefühlt. Die Macht von FOSS – eine Lektion, die ich auch von der “sichersten Firewall der Welt” gelernt habe – kommt vom Teilen. Sein Wissen zu teilen und andere in seine Arbeit schauen zu lassen, bedeutet im Grunde genommen Macht zu teilen. Ich denke, das ist grundlegend für FOSS: Sie müssen bereit sein, Wissen und Macht, die Ihnen gegeben wurden, zu teilen.
Es begann mit einer nicht richtig funktionierenden Firewall. Aber es gab noch so viel mehr mit FOSS und der Open-Source-Community zu entdecken. Sehr viel mehr. Und ich freute mich darauf zu lernen. Eine hervorragende Voraussetzung für Open Source, auch wenn man sich beruflich mit Themen beschäftigt, die auf den ersten Blick weit weg von Computern und Technik zu sein scheinen.
FOSS für die internationale Zusammenarbeit
Mein Fach war Kulturwissenschaften, und mein beruflicher Einstieg war in der Entwicklungs-zusammenarbeit, wo es nicht hauptsächlich um Software ging. Für viele Menschen scheint es in der internationalen Zusammenarbeit immer noch um die “Entwicklung” anderer zu gehen.
Dieser Begriff beinhaltet eindeutig Machtverhältnisse und erinnert uns zu Recht an koloniale Gewohnheiten, die wir sicher nicht mehr reproduzieren wollen. Aber trotzdem passiert das immer noch, und das wollten meine Kolleg*innen und ich ändern – mit FOSS. In der internationalen Zusammenarbeit bedeutet IT oft, dass ein westliches IT-Unternehmen seine Software verkauft und dann vor Ort in dessen Nutzung schult. Dieser Ansatz führt natürlich zu Abhängigkeiten und vergrößert das vorhandene Machtungleichgewicht.
Wir schlugen daher vor, mit FOSS zu arbeiten und führten verschiedene regionale Projekte mit afrikanischen und asiatischen Partner*innen durch. Einige Aktivitäten umfassten die Übersetzung der Word-Alternative Open Office und Handbüchern ins Khmer, Schulungen zur Linux-Systemadministration oder die Verbesserung praktischer Programmierkenntnisse im Informatikstudium. Ziel war es nicht, die Abhängigkeitsstrukturen zu vertiefen, sondern Menschen in ihrer Souveränität zu unterstützen. Jede*r sollten Fähigkeiten entwickeln können, um selber zu programmieren oder Software an lokale Bedürfnisse anzupassen. In vielen afrikanischen Ländern ist z.B. Ubuntu ein sehr beliebtes Betriebssystem, das auf dem afrikanischen Kontinent entstanden ist und inzwischen weltweit eine aktive Community hat.
Jede*r kann zu FOSS beitragen
FOSS kultiviert eine bestimmte Mentalität: Man schreibt Software und teilt sie. Das spart nicht nur viel Arbeit, da man auf bereits Vorhandenes zurückgreifen kann und nicht bei Null anfangen muss. Wenn viele Leute mitarbeiten, kann auch bessere Software entwickelt werden. Auch die Form der Zusammenarbeit ist interessant: Jede*r kann FOSS nutzen, dazu beitragen, etwas verbessern oder nach eigenen Bedürfnissen erweitern.
FOSS bedeutet Wissen teilen
FOSS ist aber weit mehr als das Erstellen von Software unter bestimmten rechtlichen Einschränkungen. Bei der Erforschung dieser Art von Ermächtigung lernte ich nicht nur viel über andere, sondern auch über mich selbst, meine eigenen Möglichkeiten und über Machtverhältnisse im Allgemeinen. Immer noch auf der Suche nach dem Verständnis für das Innenleben dieser kryptischen Maschinen auf meinen Schreibtischen (und inzwischen überwiegend in meinen Taschen), beschloss ich, zusätzlich zu meinem Beruf Informatik zu studieren.
Es war keine Überraschung für mich, dass die meisten Materialien während des Studiums auch Open Source waren, mehr noch, man könnte sagen, dass Bildung das natürliche Habitat von FOSS ist, da es Menschen durch das Teilen von Wissen bestärkt. Und wie Bildung kann auch FOSS nur entstehen und wachsen, wenn es Menschen gibt, die bereit sind, es in ihrem Leben zuzulassen. Ich denke, dass es kein Zufall ist, dass FOSS-Leute oft so aktiv in Netzwerken sind. Networking ist ein wesentlicher Bestandteil von FOSS, was ich auf vielen Open-Source-Konferenzen und ähnlichen Veranstaltungen erfahren konnte. FOSS hat mein Leben verändert. Und nicht nur meins: FOSS ist eigentlich überall angekommen.
FOSS-Alternativen gibt es für alle Anwendungen
Heute arbeite ich zum Beispiel viel mit WordPress, das als System für Blogs begann, aber heute das meistgenutzte Content Management System für Websites ist. Es verfügt über 60.000 kostenlose Erweiterungen (Plugins) von Autor*innen aus der ganzen Welt, mit denen man seine eigene Webanwendung erstellen kann. Wir verwenden es häufig zum Aufbau von Peer-Learning-Plattformen mit verschiedenen Tools für die Zusammenarbeit, von Messaging über Foren bis hin zu Videokonferenzen. Wenn wir eine Funktion benötigen, die noch fehlt, kann sie programmiert und im Anschluss allen zur Verfügung gestellt werden.
Gibt es etwas, das weiter verbreitet ist als WordPress? Mein Smartphone wird von seinem ursprünglichen Betriebssystem nicht mehr unterstützt, läuft aber perfekt mit LineageOS, einem FOSS-System. Daher bin ich nicht gezwungen, mein Phone alle zwei Jahre zu wechseln, nur weil die installierte Software nicht mehr unterstützt wird, sondern kann es mit FOSS viele Jahre lang umweltfreundlich nutzen. Außerdem kann es mich nicht mehr Tag und Nacht orten. Das passiert, wenn man seine technologische Souveränität zurückgewinnt und wieder anfängt, selbst Entscheidungen zu treffen.
Für fast alle Softwareanwendungen gibt es eine gute FOSS-Alternative. Diese sollten bevorzugt in Projekten der internationalen Zusammenarbeit berücksichtigt werden. Daher ist FOSS auch ein wichtiger Teil der Principles for Digital Development, welche die Wirkung, Effizienz und die Zusammenarbeit der globalen Entwicklungs-Community verbessern möchten. Die Initiative gibt Empfehlungen und Best Practices für die Umsetzung von offenen und partizipativen Ansätzen und empfiehlt explizit den Einsatz von FOSS.
Der Artikel ist im Rahmen eines FOSS-Workshops mit dem CrossCulture Programme des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) entstanden und erschien dort in der Publikation Digital Civil Society. AccessOpenTech.